Ein riesiges Loch im Etat
Eishockey-Zweitligist Bad Tölz fürchtet einmal mehr die Insolvenz - ein Gutachten soll Klarheit schaffen
Uwe Krupp hatte den Vip-Raum im Tölzer Eisstadion gerade erst betreten, schon stand Alois Mayr an seiner Seite. Ob der Bundestrainer denn bereit sei, Fördermitglied der Tölzer Löwen zu werden, fragte deren Beiratschef Mayr. Klar, sagte Krupp, im offensichtlichen Glauben, lediglich seinen Namen hergeben zu müssen. Verdutzt blickte er drein, als der Tölzer Funktionär ihm sogleich 250 Euro abknöpfte und flüsterte: "Im Moment geht es uns gar nicht gut."
Es war kurz vor Weihnachten, als sich diese Begebenheit ereignete. Bereits da war bekannt, dass der Eishockey-Zweitligist mit Spielergehältern in Verzug war. Wie schlecht es um die finanzielle Lage tatsächlich bestellt ist, wird sich Ende dieser Woche offenbaren. Ein Sanierungsgutachten soll zeigen, ob der Erhalt des höherklassigen Eishockeysports in Bad Tölz sinnvoll ist. Die Schätzungen über den Schuldenstand belaufen sich auf mehrere Hunderttausend Euro. Womöglich droht die Insolvenz. Wieder einmal.
Schon vor sechs Jahren war die Tölzer Eissportgesellschaft (TEG), die den Spielbetrieb des zweifachen deutschen Meisters regelt, pleite. Insolvenzverwalter Josef Hingerl und Geschäftsführer Franz Demmel schafften es, die TEG komplett zu entschulden und trotzdem in der zweiten Liga zu bleiben. Seither haben die Tölzer jede Spielzeit mit roten Zahlen abgeschlossen und vier Geschäftsführer verschlissen. "Die Misere begann, als Demmel gegangen worden ist", sagt Franz Baindl, der Jugendleiter des EC Bad Tölz. Zusammen mit Trainer Rick Boehm zeichnet Baindl für eine der besten Talentschmieden im deutschen Eishockey verantwortlich. Jugendspieler aus dem Isarwinkel bestücken regelmäßig die Auswahlmannschaften des Verbandes, zuletzt schaffte Korbinian Holzer, inzwischen in Düsseldorf tätig, den Sprung in Krupps A-Mannschaft. Etwa 70 000 Euro bekommt der EC Bad Tölz jährlich als Ausgleich für seine Nachwuchsförderung, vorausgesetzt, die Profis spielen in der zweiten oder dritten Liga. Die ganze Sportwelt in der Kurstadt ist auf den Eisclub ausgerichtet, den einzigen örtlichen Profiverein, dessen Fanschal auch im Büro des Fernsehkommissars Benno Berghammer in der Serie "Der Bulle von Tölz" hängt. Die Zukunft allerdings ist zurzeit ungewisser denn je.
Dabei läuft es sportlich so gut wie seit 30 Jahren nicht mehr. Als Aufsteiger in die zweite Bundesliga belegen die Löwen den ersten Platz, der Zuschauerschnitt liegt mit 2400 Besuchern weit über den Erwartungen. Die These vom billigsten Kader der Liga lässt sich wohl nicht halten, doch gewiss rangiert das Team von Trainer Axel Kammerer vor etlichen weitaus potenteren Klubs. Vermeintlich optimale Voraussetzungen also - und doch klafft ein riesiges Loch im Etat.
TEG-Geschäftsführer Horst Fussek verweist auf unvermutete Altlasten und nicht eingehaltene Sponsorenzusagen. Im April ereilte ihn eine Nachforderung von der Berufsgenossenschaft in Höhe von 178 000 Euro. Umso mehr stellt sich die Frage, weshalb die Tölzer das konkurrenzfähige Aufstiegsteam noch verstärkten. Zumal in einer Sportart mit so hohen Fixkosten wie Eishockey, die zum großen Teil auf Sponsoren angewiesen ist. Lediglich 35 Prozent beträgt der Anteil der Zuschauereinnahmen am Budget. "Der sportliche Anspruch muss der wirtschaftlichen Wirklichkeit angepasst werden", fordert Landrat Sepp Niedermaier, der als ehemaliger Tölzer Bürgermeister dem TEG-Beirat angehörte.
Nicht nur Niedermaiers Vertrauen in die Entscheidungsträger hat gelitten. Auch ein privater Gönner, der bereits vor der Saison eine Bürgschaft von 200 000 Euro übernommen hat, ist skeptisch geworden, nachdem er im Dezember für Spielergehälter weitere 70 000 Euro bereit stellte. Ein von ihm in Auftrag gegebenes Gutachten soll Klarheit über den Zustand verschaffen. Ende der Woche sollen belastbare Zahlen und eine Fortführungsprognose vorliegen, doch schon jetzt sind Alarmsignale durchgesickert. Von Chaos auf der Geschäftsstelle ist die Rede. Geschäftsführer Fussek will erst Stellung beziehen, sobald das Gutachten bekannt ist. "Wenn Fehler gemacht worden sind, werde ich sie eingestehen", sagt er. Ob das Geld von Uwe Krupp gut angelegt war, wird sich dann zeigen. "Was täten wir ohne Tölz", sagte der Bundestrainer, als er spendete. Vielleicht muss es darauf bald eine Antwort geben.
Wolfgang Wittl